Heute vor einem Jahr, am 27.02.2020 trafen sich Kreisgeschäftsführer und Krisenmanager Ludwig Landzettel, Rettungsdienstleiter (RDL) Markus Stahl, Desinfektor Thomas Frese, Kreisbereitschaftsleiter(KBL)David Zmyslowski sowie Rotkreuzbeauftragter für den Katastrophenschutz (RKB) René Rossow mit Vertretern des Landratsamtes (Gesundheits-und Ordnungsamt) zu einer eilig einberufenen Krisensitzung. Es ging um ein neuartiges Coronavirus mit dem Namen Corona, Covid-19 bzw. SARS-Cov2, welches zuvor schon Ende 2019 in China und wenige Wochen danach in Europa sowie nun in Deutschland auftrat.
Es drohte die Kliniken, Labore und Gesundheitsämter mit Corona-Testwilligen und Erkrankten zu überschwemmen. Für alle Vertreter war dies eine komplett neue Lage. Auch wenn es eine betriebliche Pandemieplanung gab, konzentrierte man sich zu diesem Zeitpunktvorrangig auf leb EL -lebensbedrohliche Einsatzlagen(z.B. Amok/Terror) sowie Blackout (z.B. flächendeckende Stromausfälle etc.). Hier wurden wir eines Besseren belehrt.
Schon in der Besprechung wurde klar, dass man einen größeren Beprobungsauftrag erhalten würde-welcher über mehrere Wochen gehen sollte. Dann würde man von der Containment-Phase I in die Protection-Phase II wechseln und die Arztpraxen etc. könnten alles selbst bewerkstelligen–so der Plan. Für die weitere Planung wurden zudem stv. RDL/KBL Philipp Müller und stv. RKB Volker Jähnichen mit ins Teamgeholt. Alle im Bevölkerungsschutz tätigen Helfer aus den 35Ortsvereinen,sowie Interessierte aus dem Rettungsdienst wurden in einem sofort verfassten Schreiben für eine schon an den Folgetagen stattfindende Beprobungsschulung eingeladen. Zudem wurden Standorte für die Beprobung gesucht, genehmigt und wieder abgelehnt sowie wieder neu gesucht.
„Man plante und das Schicksal lachte uns aus...“.
Schon in der Folgenacht überschlugen sich die Ereignissein einer Bad Rappenauer Pflegeeinrichtung. Unzählige Bewohner sollten nachts mit leichten und schweren Symptomen in die Kliniken eingewiesen werden. Dies hätte den regulären Rettungsdienst und Krankentransport –aber auch die Kliniken selbst in die Knie gezwungen. Umgehend wurde das Heim unter Quarantäne gestellt und ein kurzfristiger nächtlicher Krisenstab in der Integrierten Leitstelle(ILS) Heilbronn um deren Leiter Joachim Bähr sowie den o.g. Akteuren eingerichtet.
Große Firmen mit höchstem Sicherheitslevel und viel Betreiberpersonal planten bereits10 Schritte voraus und wollten sich noch in dieser Nacht beim DRK zur Sicherheit 500 Feldbetten leihen, falls es zu einem „Lockdown“ käme. In diesem Augenblick fast noch zu abstrakt, doch die Geschichte lehrte uns anderes... Kurz darauf wurden die ersten 30 Helfer qualifiziert und am Folgetag bei einem Testlauf an einer mobilen Teststelle des DRK OV Heilbronn routiniert beübt. Hier schaute die Bevölkerung schon nervös auf die Vorgänge. Tatsächlich konnten mangels Testmaterialien erst 5 Tage später erste Beprobungsaktionen durchgeführt werden. Zunächst führte man diese mobil im Stadt-und Landkreis Heilbronn mit wenigen hundert Menschen durch. Doch der Bedarf wuchs beinahe täglich.
Kurz darauf wurde das alte Bauamt des Landkreises in der Stadt Heilbronn für eine stationäre Teststelle ertüchtigt, welche im Verlauf liebevoll in „Villa Corona“ umgetauft wurde. Zudem wurden die Fachberater der KBL Karl-Heinz Schmitt, Dominic Schadt und später Andreas Giel sowie Thomas Mayer als festes koordinierendes Team mit ins Boot geholt. Mitte März erfolgte überraschend das, was zuvor nur abstrakt denkbar war: der Lockdown. Drei Szenarien standen zuvor zur Wahl „Hammer & Dance“, „Dehnung/Verzögerung“ sowie „Worst Case“. Die Bundesregierung entschied sich für die Mittellösung –und war retrospektiv betrachtet –zumindest im Frühjahr -erfolgreich. Bescheinigungen für die Helfer wurden versandt und Planungen für jegliche Eventualitäten vorbereitet.
Parallel geriet die ganze Welt coronabedingt fast „wie in einem Film“ aus den Fugen. Hamsterkäufe begannen. Notvorräte, welche die Bundesregierung seit dem kalten Krieg empfiehlt, wurden von der Bevölkerung innerhalb weniger Tagen in Form von Toilettenpapier und Nudeln gekauft. Viele Menschen standen plötzlich vor leeren Regalen –kurz zuvor noch undenkbar. Zudem kam es zu einem gewalttätigen Übergriff an der „Villa Corona“.
Im Ausland wurden Turnhallen als Behelfslazarette ertüchtigt –ein Schreckensszenario. Bergamo zeigte uns auf erschreckende Weise, was uns im schlimmsten Fall erwarten könnte. Beatmungsbetten wurden knapp, neue Betten wurden alternativ z.B.in den o.g. Behelfslazaretten bereitgestellt. Heilbronn blieb davon glücklicher Weise verschont. Der Mangel an medizinischem Personal und Pflegepersonal blieb. Außerdem gab es zusätzliche krankheitsbedingte Personalausfälle, von denen auch unser unter Dauerfeuer stehender Leitungs-und Führungskopf nicht verschont blieb. Mehrere Fachgesellschaften gaben geeint eindeutige Anweisungen für die Triage im „worst case“ heraus.
Die PSNV-Gruppe um Karina Pauli und Melanie Klinke Moser bereitete sich hierfür durch Vorgaben vom IM und Harald Karutz für die Betreuung der Betroffenen und Einsatzkräfte vor. Eine Hotline hierfür wurde eingerichtet. Der zwischen 14. und19. April erwartete „worst case“ blieb, dank des im Mitte März erfolgten Lockdown, aus.
Fieberambulanzen sollten es richten. Diese gingen jedoch nur schleppend in Betrieb. Schutzmaterial und Desinfektionsmittel wurden knapp. Lieferungen blieben aus bzw. wurden zu Wucherpreisen angeboten. Betrüger witterten Geschäfte und richteten viele Schäden an. Über 250 DRK-Helfer wurden insgesamt im Umgang mit den mit SARS-Cov2 verbundenen Hygiene-und Schutzmaßnahmen sowie in der Beprobung geschult. Neben Thomas Frese, Karl-Heinz Schmitt und René Rossow übernahm dies vorrangig Markus Weber. Aktuelle Beprobungsteams werden durch Thomas Mayer und Dominic Schadt sowie Karl-Heinz Schmitt geschult.
Das DRK-Ausbildungszentrum wurde als großer, Covid-19 konformer Lageraum für den „worst case“ umfunktioniert. Der stv. Kreisgeschäftsführer Stefan Wolf wurde Leiter des Einsatzstabes. Die Gruppe Information und Kommunikation um Maik Hudak und Marcel Bähr bereitete ausgewählte Stabsfunktionen für die Stabsarbeit vor.
Das DRK-Kreisauskunftsbüro(KAB)um Hartmut Schenk, welches eigentlich im Kriegsfall die Nationale Auskunftsstelleüber Kriegsgefangene und in Gewalt einer Konfliktpartei befindliche Zivilisten sowie bei Katastrophen Suchdienst und Vermisstenauskünfte organisiert, wurde zur Unterstützung bei der Terminvergabe und Dokumentation eingesetzt.
Unzählige Materialtransporte wurden vom DRK für das Landratsamt Heilbronn durchgeführt. Sei es vom Flughafen Frankfurt oder aus Dinkelsbühl-Fichtenau etc. Zudem wurden unzählige Pflegeeinrichtungen durch das DRK im Landkreis mit persönlicher Schutzausrüstung(PSA)beliefert.
Zudem wurde die Stabsstelle S4-Material geschaffen und bis heute durch Jürgen Schneider, Michael Kuhn sowie Thomas Frese zuverlässig ausgefüllt. David Zmyslowski und Karl-Heinz Schmitt transportierten unzählige Materiallieferungen für Rettungs-und Pflegedienst sowie Katastrophenschutz vom DRK Zentrallager Kirchheim/Teck nach Heilbronn durch.
Die Hausmeisterei unterstützte hierbei massiv im Hintergrund. Viele der 35 Ortsvereine unterstützen außerdem bis heute den Rettungsdienst in der Spitzenabdeckung in Krankentransport und Notfallrettung. Zudem wurde an der Rettungswache Heilbronn eine Desinfektionsstraße für Einsatzfahrzeuge eingerichtet.
Zeitweise musste der HvO-Dienst aus Sicherheitsgründen außer Betrieb gesetzt werden. Dieser ist inzwischen in Großteilen, dank guter Hygienekonzepte, wieder aktiv. Bis Mai 2020 wurden vom DRK Heilbronn über 2.800 Menschen beprobt. Der Sommer entspannte die Lage und viele vergaßen oder verdrängten Corona. Wissenschaftler mahnten jedoch schon nach dem ersten Rückgang der Fallzahlen vor einer zweiten Welle, welche eventuell viel heftiger werden würde. Von vielen wurde dies nicht ernst genommen. Für viele war die Grippesaison damit beendet und „die Fallzahlen ja gar nicht so schlimm“.
Im Sommer beauftragte das Sozialministerium den DRK Landesverband mit dem Betrieb mehrerer Teststellen für Reiserückkehrer. Das DRK Heilbronn war am Stuttgarter Hauptbahnhof nahezu täglich mit einem oder mehreren schichtübergreifend tätigen Helfern im Einsatz. Weit über 19.000 Menschen wurden dabei beprobt. Dies wurde federführend durch die KBLs David Zmyslowski und Philipp Müller koordiniert.
Im Herbst 2020 stiegen die Zahlen wieder rasant an. Beide Gebietskörperschaften, bestehend aus Landratsamt und Stadt Heilbronn, standen jedoch schon vorsorglich seit Sommer 2020 mit dem DRK in engem Kontakt. Unter anderem hatte z.B. der Fall bei der Firma Tönnies zum Handeln gezwungen. Verschiedenste Lösungen wie die „Drive Through-Teststelle“ und „Rapid-Task-Force“(RTF) wurden vorbereitet und mehrfach als RTF in Flüchtlingsunterkünften und Pflegeheimen etc. in den Einsatz gebracht. Einzelne, spezialisierte Helfer sind seit dem auch für den ad hoc-Einsatz über digitale Funkmeldeempfänger erreichbar und wurden auch mehrfach alarmiert. Endlich waren auch die langersehnten Schnelltest erhältlich, welche jedoch nur bedingt die PCR-Tests ersetzen können.
DRK-intern werden seitdem wöchentlich Pflegeheime und mobile Pflegedienste intern beprobt. Diese kamen erneut an ihre Kapazitätsgrenze. Trotz unzähliger Maßnahmen aus Politik, Wirtschaft und vielen Einzelnen ließ sich ein weiterer Lockdown „light“ leider nicht verhindern.
Die größte Testaktion wurde als Weihnachtsbeprobung am 24.12.2020 von 09:00 bis 12:00 Uhr im Rahmen einer Aktion des Sozialministerium Baden-Württemberg gestartet. Mit Unterstützung der Stadt Heilbronn und der Kassenärztlichen Vereinigung BW (KVBW)wurde die, hierfür schon für PCR-Massentests ertüchtigte, Teststation auf der Theresienwiese bereitgestellt. Insgesamt 522 Menschen kamen mit über 180 Fahrzeugen, zu Fuß oder per Fahrrad zum Testen, um zumindest ein wenig mehr Sicherheit für das Familienfest zu gewährleisten. Insgesamt 5 Menschen wurden mit Covid-19 „herausgefischt“ und somit zumindest in einzelne Superspreader-Events vermieden.
Parallel engagieren sich seit Monaten die DRK Ortsvereine Abstatt, Beilstein, Bad Friedrichshall, Bad Wimpfen, Gemmingen, Ilsfeld, Heilbronn, Möckmühl, Obersulm und Weinsberg uvm. bei Massentests in Großfirmen sowie für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sowie dem Sozial-und/oder Innenministerium und Kitas/Schulen an Einzelaktionen bzw. wöchentlichen Massentests.
Summiert man alle alten und neuen o.g. Aktionen, wurden in diesem Corona-Jahr durch das DRK Heilbronn mind. 40.000 Tests durchgeführt. Eine Mammutaufgabe, welche vorrangig durch ehrenamtliche Helfer durchgeführt wird. Um die Weihnachtszeit lief die langersehnte Vorbereitung einer der größten Impfaktionen in der Weltgeschichte an. Die ersten zentralen Impfzentren(ZIZ) gingen am 27.12.2020 in Betrieb. Die Kreisimpfzentren (KIZ) mit ihren mobilen Impfteams (MIT) sollten am 15.01.2021 in Volllast in einer zweischichtigen 7-Tage Woche für 6 Monate in Betrieb gehen. Sie starteten Mangels Impfstoff erst am 22.01.2021.Und dies deutlich abgespeckt, nur freitags und samstags im Stadtkreis und alle zwei Wochen einen Freitag im Landkreis. Das DRK Heilbronn war mit bislang 50 Einsatzkräften vor Ort. Insgesamt haben sich für die Aufgabe über 180 Einsatzkräfte gemeldet. Inzwischen wird in Heilbronn neben Biontech auch AstraZenica, sowie teilweise Moderna verimpft. Überzählige Impfstoffe konnten an über 110 Helfer der Kategorie 1innerhalb der Hilfsorganisationen vergeben werden, sodass (neben den regulären Impfungen) inzwischen weit mehr als die Hälfte des Personals geimpft ist. Zudem werden aktuell in den Ortsvereinen sowie unzählige freiwillige Privatpersonen für die Testung von Lehrern und Erziehern in Schulungen unterwiesen. Dank guter Schutzmaßnahmen haben sich bislang nur wenige haupt-und ehrenamtliche Helfer infiziert. Das Superlativ „größter DRK-Einsatz seit dem 2. Weltkrieg“ ist vermutlich nicht übertrieben.
Retrospektivbetrachtet kann ein positives Resümee gezogen werden. Wir haben das Beste daraus gemacht. Einzelne Dinge würde man mit dem Wissen von heute sicherlich anders machen. Wir haben jedoch unsere Lehren gezogen. Die Corona-Lage ist zudem noch lange nicht vorbei...Der Dank geht an alle haupt-und ehrenamtlichen Mitarbeiter für ihren unermüdlichen Einsatz in dieser Pandemie. Zudem den Angehörigen, die das alles mittragen und ihren Liebenden Rücken freihalten! Den Behörden im Stadt-und Landkreis Heilbronn (Gesundheitsämter, untere Katastrophenschutzbehörden, Ordnungsamt/Kreispolizeibehörde, Bürgermeistern, Landrat, Heilbronn Marketing sowie die Leitungen der KIZ, sowie einzelne MIT der ZIZ aus Rot am See)gilt ebenfalls ein großer Dank für die hervorragende Zusammenarbeit.